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Der erste eigene Taschenrechner, den ich in der Schule (Mittelstufe) benutzte, war ein TI-30 von Texas Instruments. Damals noch mit einem rot leuchtenden LED Display. Leider ist der mittlerweile verschütt gegangen, so dass ich kein Foto von ihm machen kann. Aber dankenswerterweise hat mir Jörg Falken zwei sehr schöne Fotos zur Verfügung gestellt.

Hier sieht man das allererste Modell von 1976:

TI-30 1976 TI-30 von 1976: Das erste Modell. Foto: Jörg Falken

Jörg restauriert alte Taschenrechner mit viel Liebe zum Detail und bietet gelegentlich aufbereitete Modelle auf der Kleinanzeigen Plattform an.

Dieses schöne erste TI-30 Modell hatte ich vermutlich nicht, denn 1976 war ich noch in der Grundschule.

Evolution

Aber Texas Instruments hat die “Marke” TI-30 über die Jahre immer wieder neu erfunden. Das folgende Foto zeigt vier Inkarnationen dieser erfolgreichen Serie, darunter auch die erste LCD Version von 1983. Dieses Modell hatte ich als zweiten, offiziellen Schul-Taschenrechner in Benutzung.

Vier TI-30 Modelle Vier Modellvarianten des TI-30. Foto: Jörg Falken

Erinnerungen

In meiner Erinnerung fand ich den LED TI-30 zwar sehr interessant und habe auch damals schon versucht, ihn auseinander zu nehmen. Was aber leider dazu führte, dass das dünne Front-Blech bald verbogen und verkratzt war.
Den Funktionsumfang des rot leuchtenden TI-30 fand ich dann irgendwann etwas langweilig und eingeschränkt. Der Taschenrechner von meinem Vater, ein SR-56, sah viel imposanter aus. Und erst der TI-59 von meinem Bruder!

Leider war auch der TI-30 LCD da keine Steigerung. Im Gegenteil: Seine Tasten funktionierten oft nicht zuverlässig genug und so fand ich schnell alles, was mit “TI-30” beschriftet war, doof. Für mich ging die Reise damals dann mit dem Casio fx-602p und danach mit dem Casio fx-7000G, dem weltweit ersten Grafikrechner weiter, den ich im Mathe LK und auch im Abitur benutzte.

Entwicklungen

Doch warum heute, Jahrzehnte später ein Artikel über den TI-30?

Im Laufe der vielen Jahre habe ich viele Taschenrechner in den Händen gehalten und so manche gesucht und gesammelt. Vor allem solche von Hewlett Packard, aber natürlich auch von Texas Instruments und den ein oder anderen von Casio. Garniert mit ein paar Sharps oder auch z.B. dem Numworks.

Dabei habe ich mich meist für die Spitzenmodelle interessiert. Programmierbar sollten sie möglichst sein. Dass diese heutzutage in Prüfungen nicht zugelassen sind, interessierte mich ja nach Schule und Studium nicht mehr.

Doch nun bin ich selbst demnächst wieder mal Prüfling – Amateurfunk verspricht ein interessantes Hobby zu werden – und benötige einen nicht-programmierbaren Taschenrechner. Ein Blick in den Fundus zeigte rasch: OHA! Wenig bis keine Auswahl!
Den ein oder anderen Casio fand ich, v.a. der fx-991DE X ist da wohl weit vorn.

Heute

Aber natürlich wollte ich wissen, was denn so ein Platzhirsch beim Thema Taschenrechner, wie es eben Texas Instruments immer noch ist, heutzutage im Angebot hat.
Und siehe da: Die Marke “TI-30” gibt es immer noch. Und so bestellte ich mir den aktuell1 besten, den “TI-30X Pro MathPrint”.

TI-30X Pro TI-30X Pro MathPrint. Foto: Stefan Wolfrum

Vielfalt & Hardware

Alter Schwede! Da hat sich ja einiges getan!
Vor allem bin ich erstaunt, wie viel mehr Funktionalität ein Schul-Taschenrechner heutzutage an Board hat. Da fehlt ja wirklich (fast) nichts mehr an Features, Respekt! Eigentlich braucht der normale Mensch, der doch hin und wieder etwas im Alltag zu rechnen hat, nicht mehr als was so ein Rechner bietet.

Das Design ist gefällig bis hübsch, wenn auch nichts Besonderes. Schon seit längerem üblich und sinnvoll ist die Stromversorgung über Solarzellen plus fest verbauter Batterie, wenn’s mal zu dunkel ist und um den Speicher zu halten.
Das Display ist okay-ish ablesbar. Da habe ich schon kontraststärkere Displays gesehen, die einen kräftigeren Ton hatten. Aber draußen bzw. bei gutem Licht ist alles gut ablesbar.
Die Verarbeitung fällt mir angenehm positiv auf. Da hebt sich TI erfreulicherweise ein wenig vom allgemeinen “China-Plastik-Gefühl” ab: Ordentliche Verschraubung, vier Gummifüßchen sowohl auf dem Boden des Rechners, als auch auf dem Deckel und sogar vier kleine Gummi-Abstandshalter auf der Deckel-Innenseite. Das ist fein beobachtet von TI und gefällt.

Wer schon z.B. einen TI-84 benutzt hat, erkennt nach Druck auf die mode-Taste das TI-Prinzip direkt wieder, wie Grundeinstellungen gemacht werden. Allerdings gibt es hier nicht so viele Einstellungen. Vergeblich sucht man eine Möglichkeit, Dezimal-Punkt vs. Dezimal-Komma umzuschalten oder ein Tausendertrennungszeichen zu wählen.

Sicher erfreut es den einen oder die andere, dass die Tasten nicht überladen sind mit Zweit-, Dritt- oder gar Viert-Funktionen, wie bei so manchem Rechner der Marktbegleiter. Es gibt nur eine hellblaue Shift-Taste und auch nur diese eine Farbe kommt in der Beschriftung über den Tasten vor. Das sorgt für Übersicht.

Effizienz

Auffällig ist, dass der Rechner nur 5 Tasten nebeneinander in einer Reihe hat. Die meisten Taschenrechner haben da sechs. So hat dieses TI-30 Modell insgesamt nur 41 Tasten (plus 4 Cursortasten), während z.B. der o.a. Casio fx-991DE X auf 46 (plus 4 Cursortasten) kommt.
Bei so viel untergebrachter Funktionalität müssen die Tasten also mehrfach belegt sein. Dennoch hat der TI-30X Pro nur eine Umschalt- bzw. Shift-Taste und deren Zweifunktionen rufen meist Menüs auf, statt direkt Funktionen auszuführen. Was hat sich TI hier ausgedacht?

Ein für mich neues Konzept: Es liegen mehrere Funktionen auf der un-umgeschalteten Taste direkt, man ruft sie durch mehrfaches Drücken der Taste auf.
Beispiel: Die Funktionen $e^x$ und $10^x$ liegen beide auf der selben Taste. Beim ersten Druck erscheint im Display ein kleines $e$ und der Cursor blinkt rechts hochgestellt daneben, bereit zur Eingabe des Exponenten. Drückt man die selbe Taste sofort noch einmal, wird das $e$ durch eine kleine 10 ersetzt. Drückt man nochmal, hat man wieder das $e$. Das funktioniert in der Praxis tatsächlich gut.
Bei den trigonometrischen Funktionen liegen sogar vier Funktionen auf einer Taste: normal, invers, hyperbolisch, hyperbolisch-invers. Da braucht es weder eine Shift-, noch eine Hyp-Taste.
Auch die Konstanten $\pi, e$ und $i$ wurden auf eine einzige Taste gelegt.

Wünsche

Leider ist der TI30X Pro nicht 100%ig perfekt.

Wirklich enttäuscht war ich von der Tatsache, dass ihm die Möglichkeit fehlt, den Exponenten in der $*10^x$ Schreibweise einer Zahl in Vielfachen von 3 vor- und rückwärts “durchzusteppen”. Das hilft mir bei technischen Fragestellungen und Ergebnissen immer sehr, umschalten zu können, um zu sehen, wieviel kilo oder Mega oder Giga es denn nun sind.
Das Fehlen dieser Funktionalität lässt mich dann leider den TI-30X Pro doch beiseite legen und stattdessen einen Casio zu Rate ziehen.

Apropos SI-“Vorsilben”: Auch da bieten die Marktbegleiter teilweise praktische Funktionen an: Man kann z.B. beim Casio fx-991DE X sowohl diese Buchstaben f, p, $\mu$, m, k, M, G, T beim Eingeben einer Zahl benutzen, anstelle z.B. $*10^3$ für kilo eingeben zu müssen. Und umgekehrt gibt der Casio auf Wunsch auch Rechenergebnisse gleich mit einem nachgestellten SI-Buchstaben aus. Wenn man mit Ohm, Hertz, Farad oder anderen Einheiten zu tun hat, kann das durchaus praktisch sein.

Das optische Trennen von Tausendergruppen bei großen Zahlen, beispielsweise durch einen kleinen Abstand oder ein hochgestelltes Häkchen gefällt mir bei anderen Rechnern gut – der TI-30X Pro bietet so ein Feature leider nicht.

Innovativ finde ich z.B. auch beim Sharp EL-W506T das Feature, periodische Dezimalzahlen als solche anzeigen zu können, ganz wie wir es in der Schule gelernt haben, mit einem Strich oberhalb der sich wiederholenden Ziffer(n). $\frac{1}{7}$ ist eben $0,\overline{142857}$. Das zeigt der Sharp auf Wunsch auch so an, der Casio übrigens auch, bei ihm kann man sogar Periodenstriche eingeben. Der TI-30X Pro spuckt leider nur – wie schon vor Jahrzehten – $0,142857143$ aus. Schade!

Und natürlich kann man sich fragen, ob es ausreichend ist, dass Matrixen maximal 3x3 groß sein können und dass es davon maximal drei Stück gibt. Oder ob tatsächlich im Data Editor drei Listen ausreichend sind. Früher hatten die Rechner meist auch so viele Speicher für Zahlen, wie der Rechner eben Platz hatte. Heute ist man bei diesen vorgeschriebenen Schulrechnern meist beschränkt auf die Variablen x, y, z, t, a, b, c, d, also insgesamt 8 Speicher. – Okay, das scheint wohl dann an den Mathe Lehrplan in der Oberstufe angelehnt zu sein, da bin ich dann von den größeren Rechnern – wie z.B. dem TI nSpire oder dem HP Prime – verwöhnt, die es ja auch gibt und die man sich kaufen kann – nur halt nicht für Prüfungen.

Was mir bei allen erwähnten Schulrechnern fehlt, ist eine Funktionalität für das Erzeugen von Folgen und Reihen. Kommen denn die Fibonacci-Zahlen heute im Mathe-Unterricht gar nicht mehr vor? Möchte man nicht das Interesse für Mathe bei den Kids wecken, indem man sich die total faszinierende Collatz- bzw. Hailstone-Numbers-Folge anschaut?

Smartphones & die Zukunft

Wenn ich im Bekanntenkreis hin und wieder ins Schwärmen beim Thema Taschenrechner gerate, treffe ich oft auf Unverständnis und höre sowas wie: “Verstehe ich nicht, das kann doch alles (und noch viel mehr) auch mein Smartphone in der Hosentasche!?”

Stimmt. Aber: Smartphones sind eben weder in der Schule, noch bei anderen Prüfungen erlaubt. Die Daseinsberechtigung für Taschenrechner bleibt also bis auf weiteres bestehen und ich bin gespannt, was sich auf dem Sektor in Zukunft noch tun wird! Gibt es da noch Innovationsmöglichkeiten? Welche Firmen werden sich weiterhin leisten, Geld in Menschen, Forschung, Entwicklung, Produktion zu investieren? Den deutschen Schulmarkt-Kuchen haben sich jedenfalls Casio und TI aufgeteilt. Dass Sharp auch noch so aktiv ist, wundert mich ein wenig. Noch verwunderlicher ist es, dass sich z.B. so ein ganz kleiner Nischenanbieter wie Numworks mit seinem Produkt schon einige Jahre halten kann.

Alles in allem ist der TI-30X Pro ein solider, guter Rechner, der viele Optionen bietet. Wenn einem die oben genannten Mankos nichts ausmachen, kann man gern zuschlagen.

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  1. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Blog Posts: Juni 2025 

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